Grundzüge einer achtsamen Wirtschaft

von Kai Romhardt

Viele Menschen verzweifeln an der Geisteshaltung und der Handlungslogik unserer Wirtschaft. Sie fühlen sich als Opfer, die einem schier übermächtigen System ausgeliefert sind. Ein System, das trotz desaströser Krisen, nicht zu lernen scheint und immer noch voll auf Gewinn, Wachstum und Rendite setzt. Und sich dabei als alternativlos gibt.

Als Buddhisten sind wir überzeugt, dass es heilsame Alternativen zu diesem Wirtschaftsmodell gibt. Dass wir anders und besser arbeiten, konsumieren und mit Geld und Eigentum umgehen können. Dass die Glückversprechen der Werbung, der Karriere und der Märkte uns in die Irre führen und zerstören können.

Wir wollen eine Wirtschaft, in der Arbeit, Konsum und Geld heilsame Prozesse unterstützen und nicht unsere Lebensgrundlagen schädigen. Eine Wirtschaft, die einen positiven Beitrag zu unserem Lebensglück schafft..

Doch Wirtschaft ist keine Veranstaltung, bei der wir nur machtlose Zuschauer sind. Wirtschaft geschieht uns nicht, Wir sind es, die täglich kaufen und verkaufen, sparen und Schulden machen, arbeiten oder nicht arbeiten. Wir sind es, die Bedürfnisse entwickeln und befriedigen, unzufrieden sind oder zufrieden durchs Leben gehen, die Sinnvolles herstellen oder Schädliches. Wir wählen jeden Tag aufs Neue, auch wenn die aktuellen Wirtschaftsstrukturen eine Menge strukturelle und faktische Macht besitzen. Wir sind in vielem freier, als wir denken. Das ist unsere Verantwortung.

Indem wir bewusster kaufen und konsumieren, bewusster investieren und Verbindlichkeiten eingehen und bewusster arbeiten schaffen wir im Kleinen eine Wirtschaft, die sich vom aktuellen Wirtschaftssystem deutlich unterscheiden kann. Millionen und Milliarden dieser kleinen, mittleren und größeren wirtschaftlichen Tätigkeiten flechten Tag für Tag eine neue Wirtschaft und bilden somit Potenziale für positive Veränderungen

Als Praktizierende sehen wir klar, dass unsere wahre Natur nicht Egoismus und Eigennutz ist und wir sind entsetzt, dass diese unheilsamen Geisteszustände immer noch in volkswirtschaftliche Lehrbücher als primäre Motivatoren akzeptiert oder gar gepriesen werden. Wir sehen Menschen als potenzielle Buddhas, die sich durch die Kultivierung von Achtsamkeit, Mitgefühl und Weisheit verwandeln können und auf natürliche Weise zum Wohle aller agieren.

Der Buddhismus ist klar: Egoismus, Gier und Unzufriedenheit sind nicht unsere wahre Natur und führen uns ins Unglück. Klären wir unseren Geist so wird er klar, weit und strahlend. Wenn wir uns egoistisch, destruktiv oder verletzend verhalten, dann ist dies nicht Ausdruck unser wahren Natur, sondern Resultat mangelnder Einsicht. Wenn wir anderen schaden, schaden wir uns selbst. Wenn wir uns selber besser verstehen, verstehen wir auch alle anderen besser und weiten unser Herz. Durch unser Menschenbild schaffen wir unsere eigene Welt und gemeinsam schaffen wir die real existierende Wirtschaft.

Sehe ich meine Kollegen als Konkurrenten, werde ich mich mit ihnen leicht in Kämpfe verwickeln. Sehe ich meine Kollegen hingegen als Gefährten auf dem Weg, als potenzielle Buddhas, ändert sich alles. Praktizieren wir, dann wächst unser Vertrauen in unseren edlen Kern, unsere Entwicklungsfähigkeit und spirituelle Kraft.

„Zum Glück fehlt mir nichts.“ Oder „Etwas weniger, bitte!“ – diese Erfahrungen einer achtsamen Wirtschaftsweise stehen im krassen Gegensatz zum ökonomischen Mainstream, der das Lebensgefühl des Mangels betont und hervorruft. „Es ist nie genug!“ - dieses Mangeldenken kann uns alle an den Abgrund führen.

Gier, Ungeduld, Unzufriedenheit und Aggressivität sind Geistesgifte, die viel zu lange als Antreiber-Tugenden toleriert und salonfähig gemacht wurden. Begriffe wie Wachstum, Wettbewerb, Effizienz, Rendite, Konkurrenz und Leistung sollten frisch betrachtet werden, sie sind in vielem toxisch geworden. Es gilt diese Begriffe zu erneuern und neue Wirtschaftsprinzipien erfahrbar zu machen, die den Menschen dienen und uns nicht versklaven.

  • Geben, ohne zu erwarten.

  • Impulsdistanz statt Spontankonsum.

  • Gemeinschaftsfähigkeit statt Ausbau individueller Komfortzonen.

  • Nicht Geld für Arbeit, sondern Geld, um arbeiten zu können.

    Diese Liste können wir lange fortsetzen.

    In der Neubeschreibung und Neuerfahrung heilsamer Wirtschaftsprinzipien, in der Formulierung einer inspirierenden Wirtschaftsethik sieht das Netzwerk Achtsame Wirtschaft eines seiner Hauptfelder.

    In unseren Retreats, Seminaren, Regionaltreffen und unserem jährlichen Community Meeting im EIAB in Waldbröl nehmen wir unser eigenes Leben als Ausgangspunkt. Wächst unsere eigene Wachheit in ökonomischen Alltagshandlungen, können wir diese Erfahrungen auch mit anderen teilen. Wir sind uns bewusst, dass wir starke Gewohnheitsenergien im Konsum, unserer Arbeit oder auch im Umgang mit Geld besitzen und versuchen uns und andere wohlwollend anzuschauen und nicht in scharfes Urteilen oder moralisch-spirituelle Überlegenheit abzugleiten.

Hier einige Überschriften unter denen wir uns regelmäßig versammeln:

  • Achtsam Arbeiten: Was bedeutet das konkret?

  • Achtsamkeit in der Organisation oder wie gestalten wir heilsame

    Organisationen?

  • Achtsame Kommunikation im Büro und Arbeitsplatz

  • Grundzüge einer buddhistisch inspirierten Wirtschaftethik

    Unsere Gesellschaft ist es nicht gewohnt, dass die wesentlichsten Investitionen, Investitionen in den eigenen Geist sind. Doch die Offenheit wächst, dass es nicht nur um Wissen, Expertise und verwertbare Innovationen gehen darf, sondern, dass es einer systematischen Kultivierung und Schulung von Achtsamkeit, Konzentration, Mitgefühl und Einsicht bedarf. In den Schulen, an Universitäten und in Organisationen aller Art – seien es Verwaltungen, Unternehmen oder NGO’s. Als praktizierende Buddhisten haben wir hier eine Menge anzubieten.

    Viele Türen sind bereits offener als wir denken und sie öffnen sich in einer Welt des zunehmenden Burn-Out und der geistigen Erschöpfung immer weiter. Wenn wir mit geschickten Mitteln und undogmatischer Geisteshaltung Samen der Achtsamkeit in der Wirtschaft aussäen und das konkret empfundene Leiden berühren, setzen wir die Arbeit aller Buddhas und Bodhisattvas hier und jetzt und freudvoll fort.

    Wer dies in tun möchte, ist herzlich eingeladen, sich einer unserer Regionalgruppen oder Initiativen zu verbinden.

    Diese existieren bisher in:

  • Berlin

  • der Deutschschweiz

  • Frankfurt a. M.

  • Freiburg i.B.

  • Hamburg

  • Hannover

  • Köln

  • Melk

  • München

  • Wien

  • Würzburg

 

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